Pelenakeke Brown,ENTER//RETURN © Mayra Wallraff

Die Welt im Körper der Performerin

Die Sāmoa-Pākeha-Künstlerin Pelenakeke Brown mit ENTER // RETURN in den Sophiensaelen Berlin. Live Sound Performerin: Deborah Lagaaia Paulo Haptic Access Tour: Gina Jeske Audiodeskription: Noa Winter

Das Bild, das Wort, das Zeichen, der Körper, die Welt mit ihrem Klang, mit ihren Lauten und Geräuschen: was ist davon lesbar, was bringt den Blinden die Haptic Access Tour in ihren Beschreibungen näher. In Gina Jeskes Audiodeskription findet sich der Blinde zwischen zwei Tribünen im rechten Winkel zueinander, davor Sitzpolster und Rollstuhlplätze. Die weiße Bühne in Form eines Diamanten, korrespondiert mit Zeichen, die auf Tapas projiziert werden. Zeichen, die sich aber auch als Tattoos auf den Händen der Performerin wiederfinden. Schlagwerk aus Holz, Trommel mit Klangschlitz, Woodblock, Klanghölzer, Kokosnussschalen, eine zusammengerollte Matte, mit einem Band zusammengehalten, die ebenfalls als Schlagwerk benutzt wird. Viel wird auf die Tapas projiziert werden und dann auch wieder nicht, denn nichts davon ist als Ganzes von einem jeden Platz einsehbar. Alle Projektion ist zerrissen und schwingt zwischen anwesend und abwesend . Pelenakeke Brown wird sehr viel mit den Händen und ihren Bewegungen arbeiten. Bei der Haptic Access Tour stellt sie die Bewegungen vor und Gina Jeske beschreibt das zu Sehende.

Heranführung über die kleinen Bewegungen der Hand, ein Einüben kleiner Handbewegungen, ein Heranführen an die Tattoos auf der Hand: der Vogel, die Qualle, der Diamant. Die Tattoos in ihrer Struktur werden während der Hapitc Access Tour auf Pappe mit erhabenen Linien zum Tasten gezeigt. "Struktur" deshalb, weil der Blinde in der Bewegung der Hände sie sich unentwegt verändern "sieht" und die Audiodeskription der Noa Winter damit weiterspinnt.

Der Blinde sieht in seiner Einbildungskraft die Tattoos in den Handbewegungen der Performerin sich entfalten, sich entwickeln und von den Händen wegbewegen. Imaginär aufgefangen sind seine Imaginationen von Tapas, papierähnlichen fünfzig Zentimeter breiten Papierstreifen aus Maulbeerbaumrinde, die von der Decke mehrere Meter herab auf den Boden hängen. Projektionen, dieses Mal realiter, werden auf sie geworfen und sie geben sie eben zerrissen wieder, wie die Performerin Papier als Projektionsfläche zerreißt, den Grund der Schrift zerreißt, das Außen quasi zerreißt, das die Zeichen auffangen und halten könnte: Kein Außen der Körperschrift aber soll sein, nichts soll sich vom Körper wegbewegen, soll auf anderem Untergrund als der Haut gelesen werden können. Nur Haut und Imagination von tätowierter Haut, blinde Sicht auf Haut also.

Einzig der Körper und seine Körperteile vermögen die Tattoos, als Inschriften, als Gravuren, als Einschreibungen zu halten, sie aber auch allein lebendig zu halten, lebendig und in Bewegung. Das Gesamt der Welt, die hier in den Sophiensaelen sich vorstellt findet sich als Gesamt allein in einem Ort, dem Körper, der Haut und der Bekleidung der Pelenakeke Brown.

Was ist der Ursprung der tatau, der Tattoos: sind es Teile von Ritualen, Teile spiritueller Handlungen, spiegeln sie Zugehörigkeiten wieder.

Auf Karton ertastet der Blinde überdimensional die Struktur der Tattoos, die ihn so aus seiner Imagination herausführen auf eine Bühne, die ihm in Worten und Fühlen wie Tasten mehr und mehr spürbar erscheint, immer wieder Bilder aufweisend, die im nächsten Moment bereits schon wieder aufgelöst und verworfen werden: durchstoßen erfahrene Bilder, wobei eher von Zerreißen da gesprochen werden sollte, zumal die Performerin eben diese Geste mehrmals in der Arbeit verrichten wird. Kein Riss im Papier, durch das etwas herauskommt, sichtbar wird, eher eben der zeitliche Akt, den der in Streifen zerrissene Papierbogen aufweist. In verschiedensten Weisen hörbar, immer aber erkennbar: Zerreißen von Papier Zerknüllen von Papier, deren zerknüllte Reste noch tastbar, wie Papierstreifen auch.

Die Performerin zerreißt die Möglichkeit einer Reproduktion, zerreißt die Möglichkeit eines Außen der Schrift, und das ganze Stück wird mit einem Gesang in einer Sprache enden, die außer den beiden Performerinnen niemand im Publikum wohl verstanden hat und sie selbst weigern sich auch, den gesungenen Text zu übersetzen. Eine Kultur wird zu einem ästhetischen Erlebnis, das sich nicht offenbart, vielleicht genauer, sich nicht verrät, sich aller einfachen Konsumierbarkeit entzieht, indem sie in letzter Instanz sich in ihre Hermetik zurückzieht und das ist gut so: ein Rätsel will das bleiben, was da zu hören, zu sehen, zu tasten und zu spüren ist. Ein Ansatz, der der Audiodeskription Grenzen setzt, die aber genau dieselben Grenzen hier sind wie die, die der Sichtbarkeit gesetzt sind: das Bild, das sich vor das Geheimnis legt, das Bild, das verbirgt.

Das Zeichen, das immer wieder auftaucht, in verschiedenen Konstellationen auftaucht, die zentrale Zeichnung ist das offene Dreieck, die zwei seitige Triangel, der Winkel, so drei mögliche abstrakte Lesbarkeiten einer Grundstruktur von Zeichen, der projizierten wie der Tattoos. Aber liegt in dieser Sicht nicht bereits das Problem der "Sicht" überhaupt, einer Vereinfachung, einer Ausblendung der körperlichen Lebendigkeit, die sowohl in der Haptic Access Tour von Gina Jeske wie der Audiodeskription von Noa Winter erspürbar ist. Hier erweist sich beides, Haptic Access Tour wie Audiodeskription als etwas, das in seiner Körperlichkeit die Performance nicht allein barrierefrei macht, und eigentlich allen Besucher*innen der Performance zugedacht werden sollte, da sie einen noch einmal ganz anderen "Blick" auf die Performance ermöglicht, einen sinnlichen, einen körperlichen Blick.

Der Körper als zentrales Medium ist aus der Bezeichnung aus der Haptic Access Tour als Aufzeigen seiner Bezeichnung herausgenommen, von ihm gelöst werden auf Pappe die Zeichen gezeigt, seine Bewegungen werden vorgeführt und beschrieben, er wird für die Blinden und für die Sehenden unantastbar, die Sehenden sehen den Körper und seine Dekonstruktion auf der Leinwand, werden im Programmheft auf das zu Sehende vorbereitet, wo ihnen auch die Bedeutung der Zeichen bedeutet wird. Die Haptik Access Tour nimmt Szenerien heraus aus der Performance, übersetzt die allein visuellen Zeichen in eine ertastbare Taktilität, lässt das andere zentrale Moment, die Musik und die gespielten Instrumente, einen ganzen Katalog von Schlagwerk be-greifen, sie ausprobieren, damit spielen, um einen anderen Zugang in das Stück, eben über die Musik zu ermöglichen. Dies bringt aber auch einen besonderen Zugang in das Stück hinein, es bringt auch eine ganz andere Interpretation, zumindest die Möglichkeit einer anderen Interpretation mit sich.

Verdeutlicht wird das in einer zusammengerollten Yogamatte, die als Schlaginstrument benutzt wird und auf der der Herzschlag von Deborah Lagaaia Paulo eindringlich geschlagen wird. Während Pelenakeke Brown der Performance ihren Körper verleiht, den Körper seine Bewegungen und seine Bilder und letztlich ihre Stimme, steckt sie damit auch Deborah Lagaaia Paulo an. Letztere wiederum verleiht der ersten einen treibenden Rhythmus.

Den Zugang zur Performance über Hören und Akustik finden heißt, von ihrem sinnlichen Leben ihn finden. Natürlich sind auch die Zeichen, die vom Auge erfassten Zeichen sinnlich, ihre Lebendigkeit erfahren sie aber erst durch den Puls, den Rhythmus des Lebens, den hier Deborah Lagaaia Paulo verkörpert. Momente der Alltagskultur von Samoa und anderer Kulturen aus Polynesien in Gestalt von Matten oder sogenannten Tapas übertragen diesen Puls, dieses Leben in die Performance. Fünfzig Zentimeter breit dienen diese Tapas, die sich wie geschöpftes Büttenpapier für Aquarellmalerei anfühlen, auch als Projektionsflächen, die das Gesamt der Projektion durch ihre verquere Hängung zerrissen erscheinen lassen. In ihrer Einbindung durch das Schlagwerk stellt die Performance sie in den Zusammenhang eines ganzen Kosmos, werden sie doch als Kleidung für Zeremonien, als Matten des Alltags bis hin zu Beerdigungen, mit denen die Toten bedeckt werden, ihre Verwendung finden.

Alle Formen der performativen Installation weisen nicht nur aufeinander, sie tragen auch einander, wirken ineinander vom ersten Moment an, dem Liegen der Performerin auf dem Boden mit ihren Bewegungen, die die Schlagwerke aus verschiedenen Arten von Holz aufgreifen und als Zeichen das Stück tragen und vorantreiben. Wie der Atem der Pelenakeke Brown, der immer wieder so deutlich zu hören ist, wie ihre Bewegungen, die nicht allein eine Fortbewegung darstellen, sondern eher eine Einverleibung des Raumes an einem Ort, in welchem sie sich ausdrücken, sich in ihr ausdrücken.

Bewegung bedeutet kein Fort, kein Weg. Bewegung bedeutet eine Vergewisserung eines Hier und Jetzt. Bedeutet Ein-Dieser-Ort-Werden., Bedeutet diesen Ort verkörpern. Bedeutet diesen Ort in Bewegungen zu sich kommen lassen.

Vielleicht liegt hierin eine vollkommen unterschiedliche Auffassung von Körper und seiner Bewegungen, vielleicht heißt Bewegung hierzulande einfach Weg und das Einnehmen eines anderen Ortes, verbunden mit einer Flucht und dem Verlassen von sich, vielleicht heißt in anderen Regionen Bewegung einfach an einem Ort mit all seinem Körper zu sich kommen und in dieser Bewegung des Körpers diesen Ort in sich in dieser Bewegung aufnehmen, den Ort nicht besetzen, ihn eher in sich einströmen lassen um sich von ihm besetzen und begreifen zu lassen.

Ein akustisches Bild zu Beginn ist Wasser. Man hört eine Hand durch Wasser streifen, hört Beine sich durch das Wasser bewegen und einen nicht mehr enden wollenden Strom von Wasser, akkumuliert aus einer Bewegung, die sich einfach vervielfältigt, letztlich ausgelöst von einer Hand zu Beginn, die durch das Wasser streift, Beine, die durch das Wasser streifen, um Wasser überhaupt zu werden. Ein ganzer Strom von Wasser aus dem Geräusch eines Körperteiles in diesem Element, ein Geräusch, das zu einem Strudel, zu einem Strom wird.

Das Zeichen als Seele, das sich immer und in vermehrt allem Wiederfinden lässt, dessen Aussprechen Magie in Gang setzt. Das Zeichen und seine Aussprechbarkeit durch den Körper, der in ihm alles mit allem in Beziehung setzt, in alles in einem Enter hineinführt, in der Wiederholung Welt und Selbstversicherung garantierend. Auf der Computertastatur finden sich Enter und Return als die profanen Befehlszeichen einer durch die Maschine vermittelten Welt. In Pelenakeke Browns Performance werden sie körperlich, verkörpern sich in Raum und Bewegung: „Space - it is a form of ritual.“

Das Zeichen und seine Übersetzbarkeit in Tanz und Bewegung

Das Wort hat Kraft. Ausgesprochen ist das Wort Magie. Was Mund, Zunge, Lippen und Gaumen als eine Einheit namens Wort zu sich bringen, reißen die Buchstaben in grammatikalischer Ordnung auseinander. Zeichen werden Bild, werden Weltbild und im Zeichen findet sich die Erzählung als Mythos. Einerseits zerreißt die Schrift das Wort, den Laut, andererseits zerreißt die Performerin das primäre Material, auf dem Schrift sichtbar wird und als Träger der Zeichen, der alle Zerrissenheit aufhebt, bleibt nur der Körper übrig.

Die Computertaste als ein Schlüssel, ein Key des Zuganges in zwei entgegengesetzte Richtungen enter und return, worin sich auch der Titel der Performance findet.

Der Diamant malu als Schutz, als safe place.

Vā als samoanisches Konzept der Beziehung und Zeugenschaft. Gemeint hier ganz konkret die Beziehung von Deborah Lagaaia Paulo und Pelenakeke Brown, wobei Deborah Lagaaia Paulo einfach eine Anwesenheit und zugleich eine Art Dienst als Gottesdienst meint, schlägt ihr Schlagwerk ja auch eine Weile als Herzschlag.

Zugleich ist sie die Zeugin, die Beobachterin der Körperlichkeit, die sie mit ihrem schlagenden Puls durchsetzt, deren Bewegungen sie in ihren Schlaginstrumenten trägt und forciert, ihr die Kraft zur Bewegung verleiht. Vielleicht bewirkt die Zeugin ja auch erst die Handlung, mit ihren Schlägen auf jeden Fall die Kraft.

Die Bühne hat die Form einer Raute, die zugleich einen Diamanten darstellt, deren Grenzen mit Klebestreifen auf dem Boden gezeichnet sind. Acht Tapasstreifen hängen meterhoch von der Decke herab bis zum Boden, versetzt ihre Hängung, so dass das Publikum, das links und rechts von der Bühne auf zwei Tribünen verteilt sitzt, von einem jeden Platz aus immer einen gewissen Winkel des Geschehens nur sieht, von einem Teil der gesamten Sicht ausgeschlossen, jeder Platz aber von einem anderen Ausschnitt des Geschehens ausgeschlossen. Niemand sieht alles, jeder/jede sieht etwas anderes nicht. Nur ein Gesamt, ein gesellschaftliches Gesamt dieses Abends würde alles sehen, wenn sich alle zusammentäten sähe dieses Gesamt alles, überwände eine Zerrissenheit, die von einer dreidimensionalen Form des Achtecks als ganzes Bild des Visuellen zerrissen wird. Die Grundlage der Schrift der Zeichen zerreißt das Bild der Erzählung und wird im Mythos wieder zusammengesetzt, der alle Risse und Brüche zu überwinden hat.

Solchen Mythos verkörpern die beiden Performerinnen, verkörpern ihr Ineinander von Zeichen, Grund, Ton, Geräusch, Naturlaut und Körper. Verkörpern die Ganzheit einer Welt, in der alles mit allem verbunden ist und alles ineinander gefaltet ist.

Pelenakeke Brown, ENTER//RETURN © Mayra Wallraff

Die Performance

Zu Beginn die Orte der Performerin und der Musikerin ausgeleuchtet, als warteten sie auf ihre Besetzung. Angestrahlt die Tapas, ein Gehstock an einem Seil, den ein Karabiner im Raum schweben lässt. Ein Hocker mit weißem Papier darauf. Kokosschalen, mit denen die Musikerin Töne erzeugen wird. Klanghölzer, eine Trommel aus einem ausgehöhlten Baumstamm mit einem Schlitz darin, um Klang und Ton herauszulassen, wenn sie mit den Holzstick bearbeitet wird, wenn der Stick zwischen seinen Schlitzwänden hin und her schlägt. Zusammengerollte Matten, eine dünnere und eine dickere, beide mit Bändern zusammengehalten, um als Schlagwerk während der Performance zu dienen, alle anderen Funktionen ausschließend. Das Licht wird gedimmt und die beiden Performerinnen betreten im Dunkeln die Bühne. Deborah Lagaaia Paulo setzt sich zu ihren Instrumenten und Pelenakeke Brown legt sich auf den Boden, den Rücken zum Publikum.

Ein Lichtstreif zieht sich „wie eine Röhre, wie ein Gang,“ so Noa Winter, in die Bühne. Dieses Bild, in seiner Beschreibung, erweckt im Blinden das Bild eines imaginären Raumes im Raum. Vom Bild des Diamanten als einem safe space spricht Pelenakeke Brown und der Strahl erinnert den Blinden an diese Formulierung. Von der einen Spitze des Diamanten zur gegenüberliegenden Spitze, die Performerin mitten drin auf dem Boden liegend, die sich kaum bewegt. Nur ihr Atmen ist zu sehen und natürlich zu hören. Von der Musikerin noch keine Spur. Im akustischen Hintergrund ein dumpfes Grollen vielleicht etwas Tierisches, manchmal von leichten Windböen durchzogen, unfassbar, unerklärlich. Die Erwachende wird mit dieser Undeutlichkeit vom Morgen begrüßt. Der junge Tag lässt in seiner Frühe Neugier und Spannung zugleich aufkommen. Vielleicht droht etwas, vielleicht fällt aber auch in diesem Moment alle Bedrohlichkeit von diesem erwachenden Körper ab.

Die Arme und Beine der liegenden Performerin beginnen sich leicht zu bewegen, erwachen in diese unfassliche Atmosphäre hinein, räkeln sich vorsichtig, um nicht aufzufallen, vielleicht auch um niemanden zu wecken. Schnelles Geklopfe von Holz auf Holz, ein Lockruf, eine Warnung. Nahrungssuche eines Vogels vielleicht.

Schrift und Gravur, Einschreiben in Haut untilgbar und der Schmerz als Erinnerung. Auf Karton in erhabenen Zeichen das, was später auf die Tapas projiziert werden wird und was in die Haut von Pelenakeke Brown gestochen wurde, den Schmerz unerfahren erinnert vom blinden Betrachter, tastbar von der Tastzeichnung her. Der Pfeil und die Linie, in verschiedenen Kombinationen ergeben sie den Vogel, die Qualle, den Diamanten. Ergeben sie ein Tier der Luft, eines des Wassers und die größte Härte der Erde. Die Zeichen: der Vogel die Beweglichkeit in der Luft, der Jellyfish eine Qualle, faszinierend zu sehen und wer ihn nicht sieht, wird von ihm gefährlich verletzt. Der Diamant als unumstößliche Klarheit und Haltbarkeit, Zeichen von etwas Ewigem, haltbarer als Stein.

Klein die Tattoos und dezent nur auf der Hand der Performerin.

Alles hängt mit allem zusammen, trägt alles, ist ineinander gefaltet. Holz der Trommel, Holz der Klanghölzer, Tapas aus der Rinde des Maulbeerbaumes, die Zeichen auf dem Körper der Performerin, auf den Tapas, auf dem weißen Tanzboden, der alle Handlung trägt, der auf sich die Zeichen trägt, wie ein jedes Zeichen einen Träger benötigt, um Zeichen sein zu können.

Das Licht wird erneut dunkel und schafft so die Voraussetzung für die Zeichnung der Projektion auf Pelenakeke Browns Kostüm, das wiederum die Voraussetzung ist, der Grund, dass die Projektion sich halten kann. Sie wird größer, geht über den Körper hinaus und erfasst auch den Boden und von ihm aus die unteren Teile der Tapas. Die Projektionen bewegen sich und Pelenakeke Brown richtet sich auf und beobachtet im Schneidersitz die Projektionen und ihre Zeichen und Bewegungen. Sie wiegt kaum erkennbar ihren Oberkörper hin und her. Sie streckt die Arme aus und streichelt über die Quallenprojektionen, die auftauchen und wieder verschwinden. Auf allen Vieren und man beginnt das Wassergeräusch zu hören. Die streichelnden Bewegungen mit dem Auftauchen und Verschwinden der Quallenprojektionen kommunizieren miteinander, so dass man den Eindruck hat, Pelenakeke Browns Bewegungen lösten die wellenartigen Bewegungen aus, trügen in sich das Auftauchen und Verschwinden der Quallen, steigerten sich in der Akustik zur Wucht des Strömens, das Quallen und Bewegungen mit sich nimmt. Während Noa Winter davon spricht, die Bewegungen der Performerin orientierten sich an den Wellen. Vielleicht lösten sie sie ja aber auch aus.

Sie streckt die Arme und lässt die Handgelenke kreisen, fährt mit einem Finger über die andere Handfläche. Gesten wiederholend, die sie in der Haptiktour vorstellte.

Sie steht und schaut über Deborah Lagaaia Paulo weg in die Weite und Ferne, einem Lichtstrahl scheinbar folgend. Sie fährt mit einem Finger über den anderen Arm und die Zeichen des Diamanten vermehren sich. Und die Zeichen konzentrieren sich nun wieder auf ihren Körper, in ihren kreisenden Handbewegungen wird sie zum Zentrum der Vermehrung der Zeichen, die größer werden, die sich bewegen, sich drehen. Noa Winter spricht davon, dass ihre Bewegungen die Zeichen und deren Bewegungen begleiten. Vielleicht sucht sie sie ja aber auch zu steuern, sucht sie mit ihren Bewegungen magisch zu beeinflussen. Die Projektionen tauchen auf und im akustischen Hintergrund des Wassers muten sie dem Blinden in ihrem Auftauchen und Verschwinden an wie ein wellenartiges Atmen, sie kommen die Tapas hoch und sinken dann wieder zurück bis sie anfangen, hin auch zu Deborah Lagaaia Paulo sich zu bewegen, sie in ihre Bewegung einzuschließen.

Die Projektionen ändern sich, nun sind es Vögel, kleinere größere Vögel, die die Tapas hoch- und wieder zurückfliegen und Pelenakeke Brown hebt ihre Arme und beginnt sie zu dirigieren. Sie geht langsam zwischen die Tapas zu einem Hocker, von dem aus sie Deborah Lagaaia Paulo sehen und beobachten kann, von wo Deborah Lagaaia Paulo sie wiederum bezeugen kann. Die Projektionen ebben langsam ab und der Raum ist dunkel bis auf Pelenakeke Browns Platz, der von oben beleuchtet ist. Ein anderer Hocker wird erleuchtet, auf dem Papierbögen liegen und auf einer weiteren Videoprojektion erscheint Pelenakeke Brown im blauen Overall wird verdoppelt, vielleicht verdreifacht und auf der Bühne beginnt sie die Papierbögen zu falten, aus einem einen Vogel zu falten. Im akustischen Hintergrund tippt jemand auf eine Computertastatur.

Auf der Bühne beschreibt sie ihre Handlungen, auch Handlungen, die auf dem Video zu sehen sind, die mit anderen Handlungen nicht übereinstimmen.

Deborah Lagaaia Paulo beginnt mit den Klanghölzern mit dem Tastentippen zu kommunizieren und das Tippen erfährt eine Erweiterung seiner Deutungsscala: es könnte nun auch etwas Tierisches an sich haben, angesteckt von den schnellen Schlägen der Hölzer, die wie das Klopfen eines Spechtes klingen, dann auf der gerollten Matte wie ein Herzschlag, der die rhythmischen Schläge auf die Tastatur einhüllt, die hörbar nichts Schreiben. Der Herzschlag löst sich vom Organ, dessen Leben er wiedergibt und rast schnell einfach vor sich hin, drückt keinen Puls eines Wesens mehr aus, wird der rasende Puls, der sich von seinem Träger gelöst hat, der selbst Wesen nun ist. Währenddessen zerreißt Pelenakeke Brown die Papierschnipsel in immer kleinere Schnipsel und Deborah Lagaaia Paulo sieht ihr dabei zu, erspielt sich ihre Nähe mit ihren Schlägen auf Schlagwerkzeugen und ein langsamer elektronischer Rhythmus aus dem Off begleitet sie dabei, bis der verschwindet und nur ein langsamer Takt eines Metronoms von Deborah Lagaaia Paulo die Szene ausklingen lässt.

Die beiden Performerinnen schauen sich in die Augen und Pelenakeke Brown kommt zu Deborah Lagaaia Paulo, die aufsteht, den Gehstock nimmt und ihn über Pelenakeke Brown schwingt wie eine Segnung bevor sie ihn ihr waagrecht hinhält. Pelenakeke Brown nimmt ihn waagrecht auf und lässt ihn sanft zu Boden gleiten und beginnt zu gehen. Mit seiner Hilfe zu gehen. Sie geht in die Bühnenmitte und atmet und im Rhythmus ihres Atems dreht sie ihren Oberkörper. Ein dumpfer elektronischer Ton setzt ein. Ihr Atem verstärkt durch Lautsprecher, mit ihren Armen scheint sie ihre Lungenflügel zu vergrößern, die Stockspitze wird in einem Lichtkegel beleuchtet und sie fährt mit der Hand atmend den Stock langsam hinunter und herauf. Im Rhythmus des Atems öffnen sich ihre Finger am Stock, sie nimmt den Stock auf die andere Seite, wendet sich dem Publikum zu und beugt sich langsam nach vorn. Die Haare fallen ihr über das Gesicht. Sie nimmt die Haare zusammen und zieht sich an den Haaren wieder nach oben. Die Bewegung beginnt wieder von vorne und vollzieht sich drei Mal, zur Seite gedreht vornüber und Haare, immer wieder den Oberkörper nach vorne und an den Haaren wieder nach oben gezogen. Dann zieht sie mit einem Finger den ganzen Körper lang, ein Lichtstrahl erscheint und sie beobachtet ihn, folgt ihm und beobachtet, dass er am Karabiner endet. Sie hängt den Stock an den Karabiner und bringt ihn mit ihrem Atem zum Tanzen. Schon seit geraumer Zeit hat Deborah Lagaaia Paulo mit dem Stick begonnen, auf die eingerollte Matte zu schlagen, zuerst ein Schlag, dann gedoppelt, eine Art künstlicher Herzschlag.

Pelenakeke Brown geht hinüber zu der Kiste, die im Licht liegt und auf dem die Kokosnussschalen liegen und sie beginnt eine zu drehen. Sie nimmt eine weitere, dreht sie, hält sie hoch und legt sie langsam in die andere, eine dritte, eine vierte, eine fünfte und alle ineinander gestellt, zwischendrin den Blick auf die Stabilität der gestapelten Schalen. Immer wieder das eigene Werk betrachtend.

Nach einem langen Blick auf die Konstellation geht sie nach hinten zum Stock und nimmt ihn vom Karabiner. Während Deborah Lagaaia Paulo in einem schnellen Rhythmus zu trommeln beginnt lässt Pelenakeke Brown den Stock tanzen und zieht ihn dann hinter sich über die Bühne. Sie legt ihn auf den Boden, der Rhythmus von Deborah Lagaaia Paulo ändert sich in ein Taramtamtam Taramtamtam und die Projektionen beginnen erneut, orientieren sich allerdings jetzt nicht mehr an der Performerin sondern am Stock. Pelenakeke Brown nimmt den Stock wieder auf, stellt ihn auf den Boden und zieht ihn nach oben und lässt ihn an seiner Kordel tanzen. Deborah Lagaaia Paulo scheint nun für den Stock zu trommeln.

Pelenakeke Brown beginnt den Stock an der Kordel über sich zu drehen. Sie schwingt ihn wie ein Lasso über ihrem Kopf. Sie schwingt ihn immer schneller und schneller. Deborah Lagaaia Paulos Rhythmen werden immer schneller und ein Südpazifischer Frauen- und Männerchor setzt ein. Die Kordel des Stockes hat sich vollkommen um die Finger von Pelenakeke Brown gewickelt. Sie stoppt den Stock, nimmt ihn herunter und geht durch die Tapas auf einen beleuchteten Stuhl am anderen Ende der Bühne zu. Sie setzt sich und legt den Gehstock mit beiden Händen auf ihre Oberschenkel. Hebt ihn über sich, legt ihn wieder auf ihre Schenkel zurück und Deborah Lagaaia Paulo beginnt zu summen. Das Licht leuchtet von oben auf Pelenakeke Brown und von ihr strahlt es hinüber zu Deborah Lagaaia Paulo. Beide summen kurz. Deborah Lagaaia Paulo beginnt zu singen während ein Video beginnt, eine Person von unten gefilmt, Pelenakeke Brown die zu sprechen beginnt: „Wenn ich meine Bewegungen in Raum und Zeit bezeuge, ist dies eine Form von Ritual. Ich bezeuge meine Bewegung in Raum und Zeit, es ist eine Form von Ritual.“ Deborah Lagaaia Paulo singt in Playback zweistimmig. Pelenakeke Brown spricht von Beziehungen und vom Enter und dem Return. Es ist ein Beobachten: Deborah Lagaaia Paulo blickt auf Pelenakeke Brown, die schaut auf ihre Bewegungen auf dem Video dann lässt sie den Stock noch einmal schwingen und hängt ihn wieder an den Karabiner, um zu beobachten, wie der Stock um sich tanzt. Deborah Lagaaia Paulo singt immer noch in der dem Blinden nicht bekannten Sprache. Bewegung durch Raum und Zeit ist eine Form von Ritual. Zeit ist eine Form von Ritual. Raum ist eine Form von Ritual. Eintreten ist eine Form von Ritual.

Sie singen beide. Return ist eine Form von Ritual. Sie singen beide, singen und werden immer schneller in ihrem Gesang, synkopieren ihren Gesang in kurzen Unterbrechungen und Deborah Lagaaia Paulo beginnt die synkopierten Rhythmen mit Schlägen auf Matten und Hölzern zu skandieren bis sie nur noch in einer Art Rausch laut singen und das Ganze in einem kurzen Schrei endet.

Pelenakeke Brown, ENTER//RETURN © Mayra Wallraff