Die Audiodeskription als Tanz durch die Bilder der Blindheit

Der blinde Körper sieht sich nicht. Zwar sieht auch der sehende Körper nur einen Teil von sich. Dennoch glaubt er, von sich als seinem Bild als von einem Ganzen sprechen zu können. Der Begriff, gestützt auf das Bild, unterstützt diese Illusion und ermöglicht so, dass Blinde und Sehende überhaupt vom Selben sprechen können, ohne vom ersten Moment an sich missverstehen zu müssen. Was Sprache hier leistet, ist einerseits eine Ermöglichung von Kommunikation zwischen beiden, es ist aber zugleich eine Einschränkung des Körpererlebens, eine Reduktion leibhaftiger Erfahrung. Während der Begriff den Körper wie seine Bewegung anspricht, beides sich als inneres Bild im Körper des Blinden sozusagen empathisch erahnen lässt, ist der eigentliche Vollzug der Körperbewegung ein Fleischwerden des Begriffes, das weit über den Prozess einer inneren Einbildung, einer Imagination, der Erahnung von Körperzustand wie Handlung hinausgeht. Das Fehlen eines gesehenen Bildes des eigenen Körpers, des eigenen Gesichts scheint zunächst ein Makel zu sein. Tatsächlich sind die Blinden dadurch gezwungen aus der Haut heraus sich und ihre Beziehung zur Welt zu erspüren, ohne dass ihnen dabei das Bild zur Hilfe käme. Das Fehlen des Bildes bedeutet aber auch die Möglichkeit einer Unmittelbarkeit, die Möglichkeit ohne Reduktion auf das Bild und seine Urteile und Vorurteile an Mensch und Welt herantreten zu können. Kein Mensch tritt aber ohne solcherlei Urteile an Mensch und Welt heran. Wir haben also immer einen ganzen Werkzeugkasten für die Beurteilung der Welt sowie für das Verhalten in der Welt. Kunst kann ein Teil eines solchen Werkzeugkastens sein und Zeitgenössischer Tanz ein sehr differenziertes Werkzeug für Betrachtung und Erleben von Welt. Blindheit wiederum ist der Körperlichkeit des Zeitgenössischen Tanzes von der Bildlosigkeit von vorneherein sehr nahe. Wird sie aber durch Audiodeskription dem Blinden vermeintlich nahe gebracht, wird sie, wenn es sich dabei um herkömmliche Beschreibungen von Handlungen und Formen handelt, in einer erneuten Reduktion verkrüppelt. Zeitgenössischer Tanz bietet die Möglichkeit in Haptic-Access-Tours durch körperliches Mit-Empfinden in einer Sprache, die auf die reale Fleischlichkeit von Körpern setzt, sich nicht nur in die eigentliche Performance hineinzuleben, sie erwirkt sich im Miterleben zugleich eine ganz andere Sensitivität für den eigenen Körper und seine Möglichkeiten. Zeitgenössischem Tanz beizuwohnen heißt, ein körperliches Denken kollektiv pflegen zu können, ein Denken sich anzueignen, das das ganze Denken noch einmal von einer ganz anderen Richtung in sich erfahren lässt: vom eigenen Körper aus denken, den Kopf nicht ausschalten, ihn aber auf das hin zu reflektieren, was er tatsächlich ist, denkender, empfindender sensitiver Körper und leibhaftiges Fleisch im Körper.

Audiodeskription als Verstörung

Ist das Bild als Körperbild zuallererst doch eine Matrix, in die das Gefühl auch der Blinden hineinspürt, um das Bild zu werden, ihm zu genügen, so ist der Zeitgenössische Tanz, wenn mensch sich auf ihn in aller Begeisterung einlässt, eine Verstörung aller Schablonen, aller Klischees, auch und gerade, wenn in der Performance Formen wiedererkannt werden. Der Tanz setzt sie vollkommen neu zusammen, tritt ihnen entgegen, setzt sie in einen vollkommen neuen Zusammenhang.
Welt und Weltverständnis wird in einer bewusst körperlichen Weltsicht und Welt-Anschauung vollkommen anders gedacht, Natur als Basis von Welt und Mensch noch einmal und von neuem und vollkommen anders im Bildlosen erspürt werden. Die Redewendung "Aus der Haut fahren" beschreibt solch ein Erleben recht gut, sie spricht von Momenten, in denen mensch nicht mehr an-sich-halten-kann, solcherlei Emotionalität künstlerisch gefasst, könnte den Zustand der blinden Rezeption von Tanz beschreiben. Gemeint wäre hier ein seelischer Zustand des Außer-Sich-Seins, allerdings vom Körperlichen her, von der Haut her, von der Berührung her.
Denken und handeln vom Körper her leibhaftig betreiben, heißt für Blinde, sich durch die Deskription hineinbringen zu lassen in die eigene Körperwelt, die vom anderen her, von den Tanzenden her körperlich angesprochen wird. Der Tanz ist der Tanz der anderen, der in der Audiodeskription zur eigenen Erfahrung werden kann. Der Tanz bringt eine Körperlichkeit mit sich, die die Körperlichkeit der Blinden so anspricht, wie das Auge sie dem Sehenden nicht zu vermitteln in der Lage ist. Der Tanz als Bewegung der anderen bietet den Blinden in der Haptic-Access-Tour die Möglichkeit die Bewegung selbst zu werden. Der blinde Körper steht im Vordergrund der Deskription, die zu einem vollkommen anderen Erleben nicht nur des Tanzes und seiner Bewegungen führt, die über den Tanz zum blinden Körper zurückführt, von dem sie vorher ausgegangen war. Tanz muss aber körperlich gelesen werden, muss in seinen Bewegungen eine körperliche Verbalität finden, darf nicht allein in seinen detaillierten Bewegungen beschrieben werden. Alle kleinteilige Beschreibung des Tanzes zerreißt ihn, zerreißt nicht allein ein Geschehen, das eigentliche Geschehen gibt es nicht, es gibt nur einen Körper, der Medium des Tanzes ist, dessen Erfahrung nicht allein durch Bildbeschreibung vermittelbar ist, der seine Beschreibung allein in der direkten Erfahrung der Bewegung der Tänzer*in leben muss und nur so Tanz erfahren kann. Eher hat Tanz mit einer Art der Ansteckung zu tun, gelebter Körper, der mit dem ihn sehenden Körper verschmilzt zu einer gemeinsamen Erfahrung, einer Nähe, die Antonin Artaud in der Verwandtschaft von Pest und Theater sehen wollte, einem Sehen, das eher mit Erspüren zu tun hat denn mit Visualität. Tanz ist ein Geschehen, das von einem Medium wie dem Körper einer Tänzer*in ausstrahlt, um empfangen zu werden von der Haut der Blinden, deren Aufmerksamkeit nicht vom Auge abgelenkt wird. Tanz hat zwei Gesichter, das der Kontraktion, der Sammlung im Körper der Tänzer*in und das der Infektion, der Ansteckung der Rezipient*innen.
In seiner Unmittelbarkeit ist das Erleben von Zeitgenössischem Tanz nicht allein die Erfahrung von Kunst und Kunstgenuss. Es ist vielmehr die Nutzung eines Mediums, das direkt in den Körper der Blinden hineindringt, um eine Kommunikation zu initiieren, die den Körper der Blinden zerlegt und wieder neu zusammensetzt. Zwei Faktoren sind es, die die blinde Tanzerfahrung tragen: das Spüren und die Berührung. Während das Spüren eine Atmosphäre erfährt und vermittelt, löst die Berührung ein inneres Bild unmittelbar aus. Darin unterscheidet sie sich aber nicht vom Hören oder Riechen. Das von ihr ausgelöste Bild aber wird von dem in das Spüren eingebettete Agieren der anderen Sinne unterbrochen. Im erspürten Raum mit seinem ganz spezifischen Geruch, seinen ganz spezifischen Geräuschen, ist die Berührung eine Unterbrechung dieser Atmosphäre. Wie die Berührung in den berührten Körper hineinbricht, öffnet sie das Spüren des Raumes.
Das durch die Berührung ausgelöste Bild ruft die anderen Sinne des Körpers auf den Plan, um ihm widersprechen zu lassen. Andererseits ruft das innere Bild des Blinden eine erspürte Atmosphäre auf, in deren Kontext die Berührung in diesem Moment eingebettet ist. Dieser Kontext, dieser Rahmen erweitert das Bild der Berührung einerseits, kann ihm aber auch durch die Assoziation widersprechen. In jedem Fall wird die vermeintliche Ganzheit des Körpers angesprochen, sie wird nicht einfach ergänzt zu etwas Ganzem: das Empfinden geht immer über alle Sinneseindrücke hinaus. Zu dieser Ganzheit als eine Art Alles-Möglichkeit gehört also das Körperbild, aber auch die Körpersprache, die den Zusammenhalt von Wort und Bild noch einmal auf eine ganz andere, eben eine körperliche Weise einbringt.

Zeitgenössischer Tanz ist immer die Neuerschaffung von leibhaftigen Körperbildern, die sich durch und durch im blinden Körper hinein entfalten, gleichgültig, von welchem Inhalt das jeweilige Stück, die jeweilige Performance ausgeht, welchen Inhalt sie verfolgt. Damit ist Zeitgenössischer Tanz für Blinde immer auch eine jeweils vollkommen neue Erfahrung des eigenen Körpers, des bildlosen Körpers, von einer den Körper ansprechenden Audiodeskription in Verbindung mit der Access-Tour her. In der Erfahrung von Körper und Form erfahren die Blinden einen Verlust, irgendwann vergessen sie das Aussehen, die Kleidung ja vielleicht auch noch das Geschlecht der Tanzenden, sie sind allein in einer Tanzbewegung, die in ihnen ihre eigene Körperform wird.

Tanz bringt im Bildlosen also die Tänzer*in auf die eine oder andere Weise zum Verschwinden, tilgt die Tänzer*in vielleicht noch als Person, lässt von ihr nur den Tanz übrig. Als Inschrift in die Blinden liest sich der Tanz also wie ein Gedicht aus dem bildlosen Körperinneren, das seine Ästhetik im Gedächtnis und seinen Körperinschriften fände, der Zeit der Haptic-Access-Tour der Zeit der Performance, der Zeit mit den Tänzer*innen. Die Tänzer*in wäre so also ein Medium, in welchem sich in Bewegungen Erinnerung und Gedächtnis der Blinden kondensierte, die in ihrem Tanz im Körper der Blinden Eingeschriebenes zum Leben erweckte, es verkörperte, es beseelte, es aber auch verdichtete. Irgendwann ist die Rezeption der Performance keine Performance mehr, sondern nur noch die Tanzwerdung eines bildlosen Körpers.

Audiodeskription als Erfahrung des Anderen

Wahrnehmen heißt empfinden, heißt nicht entscheiden, was da gerade wahrgenommen wird. Empfinden geht über all diese vermeintlichen und möglichen Entscheidungen hinaus. Empfinden heißt empfindlich sein für das, was hereintritt, was ereignet. Zwischen Berührung und Berührtwerden empfinde ich mich als einen Körper, der von einem Raum als seinem Spüren durchdrungen wird und in meiner Anwesenheit ihn in seinem Erspüren verändert. Ich bin dieser Körper in einem Raum, bin aber auch das Bild dieses Körpers in diesem Raum, kann von ihm, dem Raum als einem Sehenden in einem Raum gesehen werden, gespürt werden, wie ich Raum und Anwesende spüre. Alle Feststellungen zu dieser Situation sind etwas, das ich in einer Unermesslichkeit empfinde, die verbal niemals ganz ausgeschöpft werden kann. Empfinden aber heißt, etwas empfindet in mir, wird in mir angesprochen. Ich bin nicht nur ein Körper, ich bin auch die Geschichte dieses Körpers als Teil eines Lebens, als Freude wie Schmerz und Verwundung, die sich in mir sammeln. Dieses Etwas aber, das mir als die Inschrift meiner Verletzungen, meiner Geschichte eingeschrieben ist, im Tanz anzusprechen heißt, es zu verflüssigen, in ein Jetzt hinein zu verflüssigen. Angesprochen vom anderen wird das andere in mir lebendig.

Blindheit heißt, am Automatismus der Zuschreibung gehindert werden, heißt keine Bildnachweise zu haben, denen nachgegangen werden könnte. Das Zeitgenössische des Tanzes ist das Hier und Jetzt der Bühne. Empfinden ist die Überschreitung eines jeden Bildes, das in der Beschreibung Nicht-Genügen-Können. Empfinden bleibt immer unerreichbar, kann nicht identifiziert werden. Gerade weil kein Körperbild sichtbar ist, erfährt der Blinde sich als über seinen Körper hinausgehend, erfährt das Berührte als etwas, in das er sich hineinmischt wie das Berührte in ihn hinein sich mischt, weil kein Bild ihn abgrenzt. Berührung ist der Riss des anderen in das Bildlose, die Imagination lässt ein anderes erstehen, das dem Berührenden einen Namen geben kann, auch wenn es nicht bekannt ist, wenn es kein unmittelbares Bild hervorruft. Tanz heißt, der Bildlosigkeit in einem Hier und Jetzt der Bühne nachgehen.
Das Bild als getanztes Bild verflüssigt das Eingefrorene. Empfinden geht immer über das Beschreibbare des Bildes hinaus, verflüssigt das Bild, erhält es aber immer auch in seiner Unbeschreibbarkeit. Das Bild ist vor seiner Erspürung die Spur, der das Empfinden folgen kann, indem es das Bild einlöst. Den Riss ausschöpfen und zugleich in ihm die Barrierefreiheit erzeugen, der Riss als ästhetische Aufgabe der Erblindung, die ihre Bilder mit herein nimmt in die Empfindung. Der Riss als Tanz, erfahren von einem Blinden, der seine Bildlosigkeit in der Erfahrung der Empfindung der Tänzer*in zu seiner Körperlichkeit macht, sie liest in ihren Bewegungen, sie aus ihnen herausliest.
Blindheit heißt Welt als Riss erfahren, deren Grenzen auf eine ganz andere Weise aufgelöst sind, als Sehende Grenze erfahren. Blindheit heißt mit einem Raum verschmolzen sich zu fühlen, heißt aber auch von einer Berührung zerrissen sich zu fühlen und das Berührte zu zerreißen. In diesem Dialog zwischen Riss, Fragment und Imagination erfährt sich der Blinde in einem jeden Moment als vom Raum als Volumen neu hervorgebracht, der seine Bewegungen reflektiert, den er in sich als durch einen Geruch bestimmt erkennt, den er als etwas spürt, das ihn umschließt, dessen Bild der Imagination immer offen ist und bleibt.
Die Wurzeln des Bildes von seiner Verbindung mit der Sprache gedacht ist das Wort, kein Wort ohne Bild, kein Bild ohne Wort. Vom Tanz her wäre das: kein Körperbild ohne Körpersprache. Zwischen beiden ist die Rezeption des Blinden angesiedelt und vielleicht wäre das als der eigentliche Riss zu denken.
Das blinde Empfinden spricht von etwas, das in keiner Barrierefreiheit vollständig erfasst werden kann. Der Riss als Trennung vom Bild muss immer reflektiert werden oder reflektierbar bleiben. Der Riss zwischen Sehen und Bildlosigkeit ist der unergründliche Fundus der Erblindeten, in denen sie ihre inneren Bilder angesiedelt finden, die sich immer mehr vermehren, ohne dass es da noch weitere Visualitäten geben müsste. Den Riss als Tanzästhetik vom Erblindeten erforschen heißt, den Riss zwischen Körperbild und Körpersprache zu leben, zu denken, zu erschreiben.

Die Haptic-Access-Tour als Verkörperung

In seiner Empfindung des Tanzes kommuniziert der Blinde mit der Tänzer*in und entwickelt eine ganz spezielle Rezeption, die eher ein Gespräch zwischen zwei Körpern ist, getrennt von keinem Bild. Er ist mit ihr/ihm auf der Bühne, empfindet sie/ihn, spürt sie/ihn, spürt ihre/seine Bewegung, erspürt ihre/seine Bewegung in seinem Körper zu sich kommen. Die Haptic-Access-Tour lässt den Blinden die Bewegung einer/eines anderen erfahren, die in seinem eigenen Körper sich realisiert noch bevor sie beschrieben werden müsste.
In der Audiodeskription wird das Bild aufgerufen, das vorher erspürt wurde, es wird mehr als aktualisiert, es wird leibhaftig.
Bildlosigkeit gestattet die Möglichkeit, Körper als Unbegrenztheit zu erfahren. Die Berührung lässt Berühren und Berührt-Werden ineinander übergehen. Kein Bild trennt Subjekt und Objekt voneinander. Die Empfindung lässt hinaus in den Raum gehen, ihn, den Blinden, im Erspüren der Raum werden. Die von Haut berührte Haut entgrenzt die Körper: es erfüllt sich eine bildlose Vereinigung in einer vollkommen veränderten imaginativen Beziehung, die in sich die Veranlagung des Aufhebens von Körpern wie von Geschlechtern birgt. Der Zeitgenössische Tanz bedeutet das Ansprechen des Körpergedächtnisses des Erblindeten in der Bewegung. Die Suche als Recherche in der Nachfolge von Proust als Suche nach den einst gespürten Körperbildern, ihrer Rekonstruktion aus Schmerzen wie Verletzungen der Erblindung. Den Tanz als Anstoß hin zu der Erstehung des Bildhaften im Bildlosen des inneren Bildes, aus dem Körper des anderen, des Raumes wie seinem Geruch, seinen Geräuschen und überhaupt seiner Hörbarkeit jenseits des visuellen Wiederfindenwollens. Solcher Wille muss sich als offener Wille gestalten, als Unbestimmtheit aus der Bewegung. Andererseits kommt darin das Andere der Bewegung auch zum Zug, das als Rühren an Wunden zu verstehen sein sollte.

Aufgabe der Choreografie sollte es sein, mit Blinden zusammen an ihrer spezifischen Geschichte ihrer Erblindung zu arbeiten, Blinde müssen von Anfang an Teil der Choreographie sein, um sich in ihrer Erblindung wiederfinden zu können.
Die Tänzer*in geht voran, schafft in ihrem Vorgehen ein Vorbild, macht nichts vor, schafft eine Schrift, eine Inschrift, die kein Vorschreiben ist.

Tanz als Recherche nach der Zeit vor und nach dem visuellen Bild: wie wird aus der Bewegung des Tanzes die eigene Geschichte gelesen. Kann sie aus den Bewegungen des Tanzes heraus gelesen werden. Welche Rolle könnte sie in der Erinnerung spielen. Tanz als Gesamt von Bewegungen, von erfahrbaren Körperbildern, die wiederum Erinnerungsbilder hervorrufen, die sich mit Ton, Geruch und Geräuschen koppeln.
Die Performance in Figuren und Figurationen in der Haptic-Access-Tour vorgestellt, lässt im Dialog zwischen Blinden und Tänzer*innen die Performance nicht nur einfach körperlich werden, lässt sie in den blinden Körpern sich ausreifen, wird in der eigentlichen Audiodeskription später ein Wieder-Aufrufen erfahren, in der mehr als Wiederholung steckt, mehr als Wiedererkennen steckt, die eher eine Anamnesis im platonischen Sinn in sich trägt: Das Erspüren von etwas Äußerem im Inneren des eigenen Körpers. Platons Konzept des Wiedererkennens ist nämlich mehr als ein Erkennen von Bekanntem. Genauso erfahren die Blinden im Wiedererkennen der ertasteten, der erspürten Form etwas noch vollkommen anderes in der Audiodeskription nach der Haptic-Access-Tour, im Bruch zwischen Sensitivität und Sprache, was mit ihrem Innen spricht, sich in ihm vielleicht erst ausspricht. Bewegung und Zeit, Berührung und Tasten als In-Form-Bringen von Berührung, als erkennen der Körperform des anderen, als Erspüren des Prozesses der Bewegungsbildung und ihres Prozesses in der Prozessualität der Bewegung der Muskel und der Knochen. Das bildlose Bild als inneres Bild ist Bewegung, ist Zeit. Es erfährt sich in der Bewegung als Verflüssigung, erfährt damit die Verflüssigung der Gedanken und der Erinnerung. Es wird eine Art flüssiges Gedächtnis. Eine jede Performance ist für die Blinden eine Recherche durch den Fundus ihrer inneren Bilder, die sich dabei noch weiter vermehren. Die Performance ist die Verflüssigung des Bildlosen, Körperwerdung eines Innenraumes, der Berührung und Berührtwerden als Verkörperung eines Einen erfahrbar macht.