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China und Ägypten. Wiegen der Welt, Ausstellungsgrafik, bestehend aus: Weingefäß in Gestalt einer Eule, © Shanghai Museum, China, Statuette des schakalköpfigen Gottes Anubis, © SMB, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Sandra Steiß, Dui Speisegefäß, © Shanghai Museum, China, Dienerfigur, © Shanghai Museum, China, Herzskarabäus, © SMB, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Sandra Steiß

Blick und Haut

Manuela Gander und Christine Rieger führen durch die Sonderausstellung China und Ägypten im Neuen Museum Berlin

Geht man von der Berührung als einem für die Blinden zentralen Sinnesorgan aus, so hinterlässt der erste Blick auf die Kultur des alten Ägypten zunächst einen sprachlich vermittelten Eindruck der Unnahbarkeit , einen in jeder Hinsicht körperlich nicht erfahrbaren Eindruck für die, denen Bilder von dieser sehr am Monumentalen orientierten Kultur nur in Erzählungen zukommen. In Zeiten der Barrierefreiheit sind Blinde wie Sehbehinderte mit einer Kultur konfrontiert, deren Markenzeichen man als die bewusst aufgerichtete und immer weiter vervollkommnete Barriere bezeichnen könnte. Das wäre in der kolossalen Steinbauweise genauso wiederzuerkennen, wie in einer in Gänze auf das Königtum fixierten Kultur.

Inhaltlich ist die Ausstellung aber auch mit einer ganz anderen Grenze befasst, auf die BesucherInnen immer wieder in Exponaten stoßen: die Grenze zwischen Leben und Tod, die in Ägypten wie in China ganz anders verlief als in abendländischen Gesellschaften unserer Tage.

Immer wieder stoßen wir aber auch auf die Barriere des Unberührbaren, das vom Unerreichbaren sich dadurch unterscheidet, dass es entweder ein Moment der Heiligkeit oder der Verletzlichkeit ist, der einen Abstand einfordert. Grenzen, von denen aus gesehen wir als Blinde auf unsere Einbildungskraft verwiesen sind und vielleicht auf die Anforderung, sie in noch viel höherem Maße auszubilden und zu schulen. Dies betrifft zuallererst etwa den ägyptischen Hang zur Kolossalität.

Manuela Gander und Christine Rieger antworteten auf diese unterschwellig mitschwingende Frage nach der Fühlbarkeit der Kolossalität mit einem Beispiel einer Großskulptur, die zwar nicht zu berühren ist, die aber mit dem ganzen Leib zu erspüren ist und zu spüren sein soll.

Aber machen wir zuerst einen kurzen thematischen Abstecher auf die andere Seite der Ausstellung, die den Jenseits- und Todesvorstellungen in China und Ägypten mittels Exponaten nach zu spüren sucht, was auch, dank der Kunstvermittlerinnen für Blinde und Sehbehinderte erfahrbar ist: ein diesseitiges Jenseits, ein Versuch sich Todesvorstellungen anhand von Exponaten mit allen Sinnen anzunähern. Machen wir also einen Abstecher in eine Spiegelwelt des Diesseits, die auf den ersten Blick wie eine bloße Fortführung eines Lebens mit ähnlich diesseitigen Bedürfnissen auf lediglich anderem Parkett erscheint.

In einem Raum neben dem griechischen Hof des Neuen Museums ist in einer Vitrine ein rechteckig anmutender metallener Gegenstand mit reliefartigen Verzierungen und Löchern an seiner einen Seite zu sehen, der von Christine Rieger den BesucherInnen als Kultaxt vorgestellt wird, eine Bezeichnung, die bei herkömmlichen Vorstellungen von einer Axt mehr als verblüffen muss.

Die Kultaxt mit dem symbolhaft stilisierten Gesicht des Vielfraß, des Taotie, das auch als Symbol des Überganges vom Leben zum Tod im alten China gesehen wurde, der Tod also als unstillbarer Hunger nach Menschenleben, der bis ans Ende der Menschheit niemals gestillt werden wird. Dieser Vielfraß lässt aber auch an das Wort Sarkophag denken, das wörtlich mit Leichenfresser zu übersetzen ist, der wiederum in der Beschreibung später auftauchen wird. Dass es sich bei Taotie um einen Menschenfresser handelt, erfahren wir von Christine Rieger, die von einer späteren Darstellung des breit grinsenden Mundes erzählt, in dessen Inneren eine kleine Menschenfigur kauert. Die Axt der Fu Hao zeigt Gebrauchspuren, es wurden in ihrem Grab neben Hundeskeletten auch Menschenskelette gefunden. Menschenopfer waren im alten China nachweislich durchaus verbreitet, im Gegensatz zu Ägypten, das Menschenopfer nur zu Beginn seiner Geschichte kannte.

Daneben wurden im Grab der Gattin des Shang-Kaisers Wu Ding, Fu Hao, die ihm auch als Heerführerin diente und in dieser Funktion wohl auch sehr erfolgreich gewesen war, Gebrauchsgegenstände wie Gefäße oder Truhen mit Bekleidung gefunden. Manuela Gander machte auf die Spiegelung des Diesseits im Jenseits aufmerksam. Dazu kamen aber auch eine große Zahl an Haarnadeln und Handspiegeln, die auf den Wert hindeuten, den die ehemalige Heerführerin Fu Hao auf ihr gutes Aussehen auch im Jenseits gelegt haben muss.

In Ägypten wiederum begann im Westen, hinter dem Reich der Lebenden das Reich des Todes, das Königreich des Osiris, der selbst vom Tod auferstanden war, der den Tod mit Hilfe seiner Schwestern Isis und Nephthys überwunden hatte. Eine Vorstellung, die den Christen bekannt erscheinen sollte, wenn Christen sich erinnern, was sie bei jedem Gottesdienst gemeinsam bekennen, das sogenannte Credo, das Glaubensbekenntnis, in welchem allsonntäglich die Christenheit ganz ökumenisch bekennt, dass sie an Jesus Christus glaube, der in das Reich des Todes hinabgestiegen sei und am dritten Tag wiederauferstanden sei, der den Tod also überwunden habe, indem er ihn zuvor leibhaftig erlebt hat, wie dies auch von Osiris erzählt wird.

Für beide, China wie Ägypten gab es allerdings nach dem Tod ein Leben, ein Weiterleben. „Die Ägypter stellten sich das Jenseits wie ein Spiegelbild des Diesseits vor, dort lebte man genauso wie im richtigen Leben. Das bedeutet, man baute sich ein neues Haus“, so Manuela Gander, die damit das Grab und die Arbeit der Ägypter an ihren Gräbern, sei es Felsengrab oder Pyramide meinte.

Zweierlei muss aus dem Blickwinkel des heutigen Menschen auf die (Selbst-) Darstellung der ägyptischen Kultur in ihren überlieferten Kunstwerken aber auch mitschwingen, Fragen, die von ÄgypterInnen gar nicht gestellt worden waren, zu dieser Zeit nicht gestellt werden konnten: dass einerseits die Geschichte sich nicht so ereignet hatte, wie sie von den Pharaonen dargestellt wurde, zeitgenössische Beobachter außerhalb Ägyptens der damaligen Darstellung der Geschehnisse durch die ägyptischen Herrscher widersprachen, und dass andererseits alles außerhalb der königzentrierten Überlieferung nicht existierte. Was den Menschen der Nachwelt überliefert wurde, ist das, was die Könige und Herrschenden, was die Oberschicht Ägyptens überdauern lassen wollte. Oder andersherum: Ein vom Gedanken der Ewigkeit durchdrungenes Gesellschaftsgebilde setzt in allem was von ihm übrigbleiben soll auf absolute Dauer, die ja wiederum vom anderen Blickwinkel aus identitätsstiftendes Merkmal des ägyptischen Königtums darstellte und darstellen sollte. Die Ägyptologin und Kunstvermittlerin Manuela Gander fasste es bei der Führung durch die Ausstellung in die Worte: „Was in Ägypten immer gerne dargestellt wird, ist das Idealbild, in der Skulptur, im Denken, in dem was der Pharao geleistet hat.“

Anderes taucht dem entsprechend gar nicht auf oder wird als das Werk des Pharao dargestellt. Der Stein der Bauwerke und Statuen mit ihren Schatten lässt den Alltag der Bauern, Arbeiter, Frauen und Sklaven hinter sich verschwinden, als ob sie gar nicht existierten oder existiert hätten - wobei die Existenz von Sklaven unter Ägyptologen als zumindest fragwürdig gesehen wird.

Die Doppelführung von Manuela Gander und Christine Rieger bewegt sich zwischen zwei Kulturen, wirkt Phänomene entlang von Exponaten zu einem Nachdenken über erste Schriftkulturen und deren Vorstellungen zusammen. Während sich eine frühere Führung der beiden mit Schrift und Schreiber beschäftigte, Schreibgerät aus China und Ägypten und deren Gebrauch wie Herstellung einander gegenüberstellte, nähert sich die hier besprochene Führung der Herrschaft, der des Pharao in Ägypten, sowie der Entwicklung des Kaisertums, wie der frühen Dynastien in China an. Eine dritte Reihe von Führungen beschäftigt sich schließlich mit dem Alltag in den beiden Kulturen.

Vom Fehlen des Bildes, von der Blindheit oder der Sehbehinderung ausgehend, entwickelt die Führung entlang eines vermeintlichen Mankos eine bildlose Vorstellung, sie macht das Fehlen des Bildes nicht einfach zum Ausgangspunkt einer alle Sinne des Körpers einspannenden Heranführung an die blinde oder sehbehinderte Wahrnehmung, sie schult die Imagination, die Bildung blinder Bilder geradezu, indem sie das Fehlen zum Vorteil umzudrehen sucht. Nicht nur die verbale Hinführung an Exponate und deren historische Einordnung in eine mehrere Jahrtausende zurückliegende Zeit, die sich in zwei Kulturen so unterschiedlich ausdrückte, wird da nämlich souverän von den beiden Kunstvermittlerinnen verwoben. Obendrein setzt Manuela Gander etwa auch das Gespür des blinden Menschen gepaart mit seinem Hörsinn zur Vermittlung von Größenverhältnissen in Gestalt einer monumentalen Skulptur des Pharaos Ramses II ein, dessen Torsocharakter wir es zu verdanken haben, dass das auch halbwegs gelingen kann. Die Statue ist nämlich erst ab dem Bauchnabel erhalten und misst aber auch so bereits einiges über Menschengröße. Der Granit-Koloss ist bis zu seinem Ende hin hörbar, eine Vorstellung der ganzen Figur ist im blinden Vorstellungsvermögen zumindest in seinen Ausmaßen in seiner Einbildungskraft möglich.

Andererseits lässt Christine Rieger anhand von Bronzegefäßen, die in Ritualen Verwendung gefunden hatten, kurz etwas von der Magie fühlbar werden, die stiftend für eine Gesellschaft des alten China gesehen werden muss und über ganz körperliche Präsenz von Herrschaft und ihrer Emissäre das Reich zusammenzuhalten glaubte. Der Inhaber des Gefäßes hatte Regionen des Reiches im Auftrag des Herrschers zu besuchen, um „nach dem Rechten zu sehen“, ein Akt, der allein bereits zur Stabilität der Herrschaft beitragen sollte, da der Herrscher selbst ebenfalls sich auf derartige Reisen begab. Im massiven, schweren dickbauchigen Gefäß, in seiner Innenwand ist der Auftrag an den Beauftragten, einem Geschichtsschreiber eingeschrieben, zugleich der Adressat namentlich erwähnt wie auch seine Nachfahren, die ihn und seinen Auftrag in Ehren halten sollten. Im Inneren sind Gravuren zu spüren. „Das ist Schrift“, so Christine Rieger. Andere linienförmige Erhebungen könnten Pflanzen sein, vielleicht aber auch nur Ornamentik aus Bögen. Das sei aber nicht eindeutig zu erkennen, so die Kunstvermittlerin. Das dickbauchige Gefäß steht auf drei geschwungenen Beinen: „Sieht aus wie Elefantenfüße“, so eine Besucherin.

Wie Zahnräder greifen die verschiedenen Ebenen der Führung ineinander: Berührtes in Gehörtes, Ertastetes in unterschiedliche Materialien von Ertastetem, Stein, Metall, Papier, Reliefstiftspuren auf ihm, eingetaucht alles in den ganz speziellen Geruch des Museums, eine Art olfaktorischer White Cube.

Wenn da aber die jahrtausend alte Ritualaxt nicht zu berühren ist, können die Blinden und Sehbehinderten durch eine Reliefstrichzeichnung wenigstens die groben Umrisse und eine Skizze des Vielfraßes, der auf der Seitenfläche der Axt zu sehen ist, ertasten, die Christine Rieger für die aktuelle Führung angefertigt hat.

Nippes um den Tod herum

Der Sarkophag als Federschachtel, die Nippes-Ausstattung um eine Imago zu erzeugen. Auf den Sarkophag ein Gesicht gemalt, die Beständigkeit des Bildes abgesondert vom mumifizierten Körper. Dieser Sarkophag wiederum wurde dann noch in einen Steinsarg gelegt, ein Privileg des Königtums allerdings.

Um grob den Eindruck eines solchen Sarkophags zu vermitteln, lies Manuela Gander eine Federschachtel in Sarkophagform herumgehen, wie sie im Britischen Museum in London zu erstehen ist.

Die Erfahrung der Wahrnehmung der Blinden als eine Art Aggregat von Wahrnehmungsbildern, so wie sie jedenfalls der blinde Autor erfährt. Die vereinzelten Empfindungswahrnehmungen führen zu einem bildgestützten Begriff im Inneren des blinden Sehens, das all diese Eindrücke unter sich als eine Erscheinung zu vereinheitlichen vermag. Die bildlose Berührung des Blinden, der in einer jeden Berührung Bilder entgegenkommen, hebt sich im Wort der Beschreibung auf, in der sie sich einbettet, um das Gesamt eines Eindruckes zu erwirken. Zerrissen ist sie, die blinde Wahrnehmung, nimmt aus allen Empfindungen sich Partikel heraus, um sie unbewusst wieder zusammenzusetzen. Nehmen wir die verschiedenen Momente der Vermittlung zusammen, mit denen uns Manuela Gander und Christine Rieger die Ausstellung näherbringen, so erscheint die blinde Wahrnehmung in Momenten eine Kunst der Wahrnehmung zu sein, die sich aus Teilen der Ansichten addierte, die das Gesamt aus seinen Teilen zusammenzuführen sucht und die Führung der beiden zusammen, wird so zur Verwirklichung einer solchen Kunst.

Jade und seine magische Wirkung

Die Jade, in kleine Blättchen zerschnitten, durch Draht wiederum zusammengebunden und gehalten, um einen toten Körper herum angeordnet zu etwas, das Christine Rieger mit einer Ritterrüstung vergleicht, was als Jadepanzer bezeichnet wird. Der Jadepanzer entspringt dem magischen Denken einer Kultur, die der Jade eine Wirkung zuspricht, die Körperöffnungen zu verschließen in der Lage ist. Zunächst wurde sie den Toten in den Mund gelegt, später auf die Augen, schließlich in einer weiteren Entwicklung zu einer Maske verarbeitet, um dann im Jadepanzer seinen Höhepunkt zu finden. Ziel der chinesischen Vorstellung war eine Art magischer Mumifizierung: durch den Jadestein sollte die Verwesung verhindert werden.

Einer dieser Steine wird bei der Führung durch die Ausstellung herumgereicht. Glatt ist er und kühl und der Blinde spürt in seiner Vorstellung etwas, glaubt etwas zu spüren, das etwas aufnimmt und er fragt sich ob er gerade nicht Objekt eines Selbstexperiments wurde, das den Kern einer magischen Vorstellung am eignen Leib nachzuweisen sucht und dabei die Fortführung eben dieser Vorstellung transportiert: der Jadestein, der etwas aufzunehmen in der Lage ist. Die Berührung als Erfahrung von Form und Materialität, eine trockene Erfahrung der Erfahrung selbst, die hineinschneidet in ein Erzähltes, der Geschichte über Geschichte, der Anekdote, der Interpretation von Biografie, in denen sich das Berührte mit Bedeutung auflädt.

Die Lesbarkeit der Spuren: „Was nie geschrieben wurde lesen“ , so Walter Benjamin. Ein Motto, das unter der Blindheit noch einmal ganz andere Ergebnisse zeitigen könnte. Was nämlich erscheint in der Berührung und was schwingt in ihr mit. Etwas geschieht in der Berührung und tut dies doch nicht, da das Berührte sein anderes Gesicht verloren hat, nur die Gegenständlichkeit übrig geblieben ist, was der abendländische Mensch in seiner abstrahierenden Begrifflichkeit von ihm übriggelassen hat.

Das innere Bild der Blinden jedenfalls ist keine Abstraktion des Begriffs dessen, was die Blinden berühren, es ist deren Imago, aufgeladene Einbildung, die sich bestenfalls in Form und Material überschneiden.

Aber kommen wir zur Führung durch die Ausstellung zurück und kommen wir damit zum Schluss zur Königin Nofretete. Unter der dem Pantheon ähnlichen Kuppel, unter der runden Aussparung der Kuppel, von wo die Sonne hereinkommen könnte, um unter ihr in ihrer Glasvitrine die Pharaonin zu beleuchten: „Nofretete, die Krone ganz eng an der Stirn, darunter ein Tuch, das linke Auge fehlt, das linke Ohr ist abgebrochen.“

Gerade in dieser Unvollkommenheit erfährt die blinde Haut, wie ihr die inneren Bilder etwas wiedergeben, das ihre eigene Art des Funktionierens aufzeigt. Da ist etwa das abgebrochene Ohr, das sich der Imago eines unversehrten Ohres widersetzt, das sich aus der Schönheit herausbricht, da sind die Augen, die tastbar ein Geheimnis ihrer Produktion preisgeben, dem Herstellen des Bergkristalles, dem auch die Führung nachgeht. Was die blinde Berührung ertastet ist ein Fragment, ist ein Ausschnitt des Berührten, ist etwas, aus dem die Haut in ihrer Form etwas herausschneidet. Die Worte, die Begriffe sind es, die in der Beschreibung ein Bild imaginieren lassen, dem die Berührung immer wieder widerspricht, da die Haut immer nur einen Teil, einen Ausschnitt tastet. „Die Schöne ist gekommen“, so die Übersetzung des Namens der ägyptischen Königin: als Versicherung ihrer Gegenwart wie ihrer Ganzheit, ihrer Vollständigkeit ist dieser Name der Garant der Imago, den er hervorruft und der für einen kurzen Moment dem Ausschnitt, dem Fragment widerspricht.

Nachgespürt

„Ein wunderschönes Gesicht. Ein ganz modernes Gesicht“, so Manuela Gander. Ein sehr schmaler Nasenrücken, geradezu spürbar scharf, ist zu ertasten. Augeneinlagen, hier aus Bergkristall. Das mandelförmige Material wird herumgereicht dazu auch das ungeschliffene Material, um ein Gefühl für den Stein zu Beginn des Produktionsprozesses und seines Endproduktes zu gewinnen.
Nur das rechte Auge ist erhalten und in der Augenhöhle noch vorhanden, wo Bienenwachs das Bergkristallauge mit der Augenhöhle zu verkleben hat. Die Finger tasten hoch zur Stirn, wo über einem Tuch die Krone zu spüren ist, an der die Pharaonin vom ausgrabenden Archäologen erkannt wurde: weit geht sie von der abgebrochenen Kobra trichterförmig nach hinten hinaus. Die Replik war zuerst aus Bronze, nachdem das Metall aber sehr schnell abgegriffen und fleckig war, lies man eine andere in schwarzbemaltem Gips fertigen, der für die tastende Hand auch angenehmer, weil wärmer anzufühlen ist. Die Krone: zunächst denkt der Blinde eine Art Schnur oder Riemen zu fühlen, der sich entlang der ganzen Krone hochzieht und hinten wieder herunter, dann erst entdeckt er den aufgestellten aber abgebrochenen Schlangenkopf und dass sich der in einem Schlangenkörper über die ganze Krone hin fortsetzt. Es handelt sich dabei um die Kobra, die sich über der Stirn hochstellt und die ganze Länge der trichterartigen Krone hoch und hinten wieder runter läuft. Das Material der Krone ist nicht klar. Nichts ist von ihr übrig und die Büste war wohl nur ein Modell, das in einer Werkstatt gefunden worden war. Nichts von ihr ist erhalten außer der Büste, deren Replik jetzt die Blinden sich ertasten.